Auch die Darstellung des dritten Gesanges folgt der Übersetzung von Adolf Böttger.
In diesem Kapitel geschieht nicht sonderlich viel, dafür werden grundlegende Konzepte wie der freie Wille und die Allwissenheit Gottes angesprochen, die Fleischwerdung seines Sohnes und die Erlösung der Menschheit durch dessen Tod. Gott sitzt mit seinem Sohn, umgeben von allen braven Engeln im Himmel.
Sie betrachten von dort das Menschenpaar und dann den Satan. Gott kennt seinen Plan und weiß auch, dass er Erfolg haben wird:
Nimmt er nicht fern vom Himmel seinen Weg,
Im Vorbezirk des Lichts, gerade hin
Zur neuerschaffnen Welt, und zu dem Menschen,
Versuchen will er, ob ihn nicht Gewalt,
Ja schlimmer noch, ihn List verderben könne.
Und sieh! er wird's! – Denn seinen Schmeichellügen
Vertraut der Mensch und übertritt das einz'ge
Gebot, als des Gehorsams einzig Pfand.
So wird er fallen und sein ganz Geschlecht.
Durch wessen Schuld? durch seine nur allein!
Denn Gott schuf seine Wesen mit freiem Willen:
Unfrei, was wäre der Beweis der Treue,
Des echten Glaubens und der Liebe dann,
Wenn sie nur thäten, was nothwendig wär',
Nicht, was sie wollten? Welches Lob für sie?
Und welche Lust hätt' ich an dem Gehorsam,
Wenn Wille wie Vernunft (auch sie ist Wahl)<
Vergeblich, nutzlos und der Freiheit baar,
Zum Leiden nur geboren, nimmer mir,
Nur der Nothwendigkeit gedienet hätte?
Gott gibt ihnen die Wahl und weiß im Voraus, dass sie falsch wählen werden. Das ist auch ganz gut so, denn:
Die andern sollen all mich rufen hören,
Und oft erinnert werden ihrer Sünde;
Damit sie noch zur Zeit der Gottheit Groll
Besänftigen, und noch die Gnade haben;
Denn ich will ihre finstern Sinne heitern,
Ihr Herz von Stein erweichen zum Gebet,
Damit Gehorsam sie und Reue zeigen.
Gottes Sohn bietet ihm an, für die Sünden der Menschen zu sterben und sie so von ihrer Schuld zu erlösen:
Mein Leben für das seine, laß Dein Zürnen
Auf mir nur ruh'n, laß mich als Menschen gelten,
Um seinetwillen laß ich Deinen Schoos,
Freiwillig meid' ich dieser Glorie Schein
Und will zuletzt für ihn mit Freuden sterben,
Des Todes ganze Rache werde mein!
Nicht lange werd' ich seiner finstern Macht
Erliegen, denn Du gabst mir den Besitz
Des Lebens in mir selbst auf ewig ja,
Durch Dich ja leb' ich, wenn der Tod mich faßt,
Und er ein Recht auf alle Sterbliche
An mir erhält; doch wenn die Schuld gesühnt,
Wirst Du mich nicht im dumpfen Grab als Beute
Ihm lassen, noch gestatten, daß die reine
Und unbefleckte Seele dort verderbe.
Glorreich werd' ich erstehn und meinen Sieger
Bezwingen und den stolzen Raub ihm nehmen;
Der Tod empfängt dann seine Todeswunde,
Des Stachels selbst beraubt, liegt er im Staub.
Zum Trotz werd' ich die Hölle durch die Luft
Gefangen im Triumphe führen, rings
Die dunklen Mächte schwer gefesselt zeigen,
Vom Himmel wirst Du lächelnd niederblicken,
Indeß ich durch Dein Angesicht gestärkt,
All meine Feinde niedertreten werde,
Zuletzt den Tod, mit dessen eigner Leiche
Das tiefe Grab ich sättige. Darauf
Werde ich mit der erlösten Schaar auf's Neu'
Nach langem Fernesein zum Himmel kehren,
Dein Angesicht zu sehn, wo keine Wolke
Des Zorns sich zeigt, nur Frieden und Versöhnung.
Dann wird der Groll sich nimmer wieder zeigen,
Nur Freude wird in Deiner Nähe sein.
Gott stimmt zu und ernennt ihn zum Weltenrichter für das Jüngste Gericht:
Wenn Du vom Himmel in dem Glorienschein
Herniedersteigst, und durch die Engelschaar
Verkünden läßt das schreckliche Gericht;
Dann eilen gleich von allen Winden her
Die Lebenden und Todten aller Zeiten
Und harren auf den allgemeinen Spruch;
Posaunenlaut erweckt sie aus dem Schlaf,
Du richtest in der Mitte Deiner Heil'gen
Die Engel und die Sünder; Deinem Wort
Wird dann sich Alles beugen; und die Hölle,
Wann sie gefüllt, wird ewig dann sich schließen.
Die Welt wird sich in Flammenglut verzehren,
Doch aus der Asche werden Erd' und Himmel
Auf's Neu' erstehn, wo die Gerechten wohnen,
Derweil sie so im Himmel alles spoilern und jubilierend bereits bis zum Ende der Welt durchplanen, ist Satan noch immer unterwegs.
So wandelt Satan auf dem rauhen Meer
Von Sand alleine seinem Raube nach,
Denn kein Geschöpf, lebendig so wie leblos,
War in dem Raum vorhanden; später erst
Flog hieher jene Menge flücht'ger Dinge,
Luftdünsten gleich, als schon der Menschen Werke
Die Sünde mit der Eitelkeit erfüllt;
Die eiteln Dinge, wie die Menschenkinder,
Die ihre Hoffnung eines ew'gen Ruhms
Der Seligkeit auf Erden und im Himmel
Auf eitle Dinge bauten, ihren Lohn
Auf Erden als die Frucht des Aberglaubens
Und blinden Eifers schon empfingen, nichts
Als nur das Lob der andern Menschen suchend:
Sie fanden hier Belohnung, die so nichtig
Wie ihre Thaten ist. Auch alle Werke,
Die unvollendet die Natur erschuf
Als unreif, mißgeformt und ungeschickt
Sie fließen, auf der Erden aufgelöst,
Hieher und wandern hier, bis sie verschwinden,
Nicht in den nahen Mond, wie manche träumen:
Denn diese Silberfelder hegen sicher
Bewohner höhern Rangs, versetzte Heil'ge,
Und Geister, die halb Engel sind und Mensch.
Von daher kam vor Zeiten ein Geschlecht
Zur Erde, das aus übelm Liebesbund
Entsprossen: jene Riesen, die berühmt
Durch manch ein eitles Unternehmen wurden.
Dann auch die Schaar, die auf der Ebene
Von Sennar Babel baute, die auch jetzt
Mit dem gehörigen Stoff zu eitelm Zweck
Manch neues Babel noch erbauen würde!
Dann stößt er auf eine Treppe, die Milton mit der Engelsleiter aus Jakobs Traum vergleicht:
Die Stufen glichen denen, worauf Jacob
Die Engel auf- und niedersteigen sah,
Als er nach Padan-Aram floh vor Esau,
Und Nachts dann unter freiem Himmel träumte
Im Felde Luz, daß er erwachend rief:
»Dies ist des Himmels Pforte!« – Jede Stufe
Besaß geheimnißvollen Sinn, und wechselnd
Ward dieser hohe Bau dem Aug' entrückt
Zum Himmel aufgezogen. Dann floß drunter
Ein lichtes Meer von Jaspis oder auch
Von flüss'gen Perlen, worauf alle Jene,
Die von der Erde kamen, segelten,
Von Engeln sanft gehoben, oder sie
Gelangten auch in einem Wagen rasch
Mit Feuerrossen, über jenen See.
Die Stufen waren just herabgelassen,
Um Satan zu dem Steigen anzuspornen,
Satan sieht sich noch ein wenig um und stößt dann auf den Erzengel Uriel, der ihm arglos den Weg weist und dabei noch mal kurz die Schöpfung rekapituliert:
Ich sah, wie auf sein Wort der Stoff der Welt,
Die Masse formenlos sich sammelte;
Es hörte die Verwirrung seine Stimme,
Das wilde Toben ward gezähmt, und Schranken
Begrenzten den unendlich leeren Raum.
Ein zweiter Ruf – und sieh! die Nacht entwich,
Licht ward, und Ordnung aus der Unordnung.
Die Elemente, Wasser, Erde, Luft
Und Feuer eilten schnell in ihre Grenzen;
Die beste Kraft des Himmels aber flog
In mancherlei Gebilden in die Höh,
Die kugelförmig sich zu Sternen rollten,
Die, wie Du siehst, unzählig dort sich regen:
Doch Jedem ward bestimmte Bahn und Schranke,
Das Uebrige wallt um das große Weltall.
Sieh unten jene Kugel, deren Seite
Nach uns gekehrt, vom Lichte hell erglänzt,
Das hier entlehnt ist und zurück nur prallt.
Es ist der Sitz des Menschenstamms, die Erde;
Ihr Tag ist dieses Licht, denn außerdem
Wär' Nacht, wie auf der andern Erdenhälfte,
Jedoch auch die bescheint zur rechten Zeit
Der nahe Mond, (so heißt der Stern genüber)
Der seinen Rundlauf monatlich beendet,
Und mitten durch den Himmel stets erneut;
Mit dem von hier entlehnten Lichte füllt
Dreiförmig er sein Aeußres, was er dann
Auch wieder leert, die Erde zu beleuchten,
Und mit dem blassen Schein die Nacht zu bannen.
Dort jener Flecken ist das Paradies,
Die Wohnung Adams, und der hohe Schatten
Ist seine Laube.