Es ist schon eine Weile her, dass ich A Bid for Fortune, or Dr. Nikola's Vendetta von Guy Newell Boothby übersetzt habe. Damals betrieb ich einen Blog, in dem es ausschließlich um den viktorianischen Superschurken ging, und in einem der Beiträge hatte ich auf Schwierigkeiten bei der Übersetzung hingewiesen. Vor Kurzem nun bin ich nun (allerdings nur als Leser) erneut auf eine solche Problematik gestoßen und habe dabei festgestellt, dass ich heute wohl eine andere Entscheidung treffen würde. Bevor ich dies demnächst näher erläutere, möchte ich hier noch einmal den alten Artikel wiederholen:

Vom ersten Band der Doctor-Nikola-Reihe, A Bid for Fortune, or Dr. Nikola's Vendetta (1895), erschienen um 1900 bereits zwei Übersetzungen, einmal 1902 als "Der Mann mit der schwarzen Katze" von Carl Perlsee in der Wochenzeitschrift "Wiener Bilder", sowie  1912 als "Das chinesische Zauberstäbchen" von O. Lengning. Nachdem meine Übersetzung, „Die Rache des Doctor Nikola“, erschienen war, geriet mir „Der Mann mit der schwarzen Katze“ in die Finger, sodass ich überprüfen konnte, wie Carl Perlsee gewisse Unklarheiten im Originaltext gelöst hat.

Dort lässt Guy Boothby nämlich seinen Ich-Erzähler Hatteras über seine Eltern berichten:
"She, poor soul, died of fever in the Philippines the year I was born, and he went to the bottom in the schooner Helen of Troy, a degree west of the Line Islands, within six months of her decease; struck the tail end of a cyclone, it was thought, and went down, lock, stock, and barrel, leaving only one man to tell the tale. So I lost father and mother in the same twelve months, and that being so, when I put my cabbage-tree on my head it covered, as far as I knew, all my family in the world."

Nur um dann im nächsten Absatz zu behaupten:
"Any way you look at it, it's calculated to give you a turn, at fifteen years of age, to know that there's not a living soul on the face of God's globe that you can take by the hand and call relation. That old saying about "Blood being thicker than water" is a pretty true one, I reckon: friends may be kind -- they were so to me -- but after all they're not the same thing, nor can they be, as your own kith and kin."

Und einen Absatz später:
"However, I had to look my trouble in the face and stand up to it as a man should, and I suppose this kept me from brooding over my loss as much as I should otherwise have done. At any rate, ten days after the news reached me, I had shipped aboard the Little Emily, trading schooner, for Papeete"

Das passt nicht wirklich zusammen. Den ersten und den zweiten Absatz zusammen könnte man mit etwas guten Willen so interpretieren, dass ihm mit 15 Jahren seine traurige Lage erst so recht bewusst wurde. Aber im dritten behauptet er eindeutig: zehn Tage, nachdem ihn die Nachricht erreicht hat, nimmt er sein Schicksal in die Hand. Jetzt könnte man (ohne den zweiten Absatz) unterstellen, Mr. Hatteras wäre wirklich extrem frühreif gewesen und hat schon als Kleinkind auf einem Schoner angeheuert. Oder es hat vierzehn Jahre gedauert, bis ihn die Nachricht vom Schiffsuntergang erreichte. Oder er hat eine ganz andere Nachricht erhalten und will nur nicht verraten, welche.

Nun ja...

Man hat als Bearbeiter des Textes im Prinzip zwei Optionen, die Unstimmigkeit zu lösen (so man sie denn nicht einfach ins Deutsche übertragen will):

Die Formulierungen:
the year I was born
und
ten days after the news reached me
beißen sich. Eine von beiden muss weg. Eine klitzekleine Kleinigkeit, so wie die berühmten drei kleinen Worte, mit gewaltigen Konsequenzen.

Ich habe den ersten Weg gewählt und Mr. Hatteras dadurch eine glückliche Kindheit gegönnt.

"Sie, die arme Seele, starb am Fieber auf den Philippinen, und er ging mit dem Schoner 'Helena von Troja' unter, ein Grad westlich der Line Islands, keine sechs Monate nach ihrem Dahinscheiden. Der Ausläufer eines Zyklons erwischte das Schiff und versenkte es mit allem Drum und Dran; verschonte nur einen Mann, der davon berichten konnte. So verlor ich Mutter und Vater innerhalb eines Jahres und blieb ohne jede Familie zurück.

Da stand ich nun, mit fünfzehn Jahren, ohne einen lebenden Verwandten, der sich hätte um mich kümmern können. Man sagt, "Blut ist dicker als Wasser", und das stimmt: Freunde mögen gütig sein, und waren es zu mir, aber sind bei weitem nicht dasselbe wie dein eigen Fleisch und Blut.

Ich musste mich meinem Schicksal stellen, und tat es, wie es ein Mann sollte, und ich nehme an, das bewahrte mich davor, über meinem Verlust zu verzweifeln. Jedenfalls, zehn Tage, nachdem die Nachricht mich erreicht hatte, schiffte ich mich auf dem Handelsschoner 'Little Emily' nach Papetee ein..."

Die Übersetzung von Carl Perlsee, "Der Mann mit der schwarzen Katze", verfährt nicht so freundlich. Perlsee entfernt die zweite Formulierung und berichtet darum:

"Meine arme Mutter starb in demselben Jahre, in dem sie mich geboren hatte, auf den Philippinen am gelben Fieber. Sechs Monate später schiffte sich mein Vater auf dem Segler "Helen of Troy" ein, der in den Bereich eines Zyklons geriet, und mit Mann und Maus zu Grunde ging. So verlor ich innerhalb zwölf Monaten Vater und Mutter und blieb verlassen auf der Welt zurück.

Ich kann Ihnen sagen, es ist sehr traurig, wenn man auf Gottes weiter Erde dasteht und keine lebende Seele hat, an die man sich als Verwandter wenden kann. Das alte Sprichwort: "Blut ist kein Wasser", ist wirklich ein Wahrwort; Freunde mögen ja sehr gütig sein - und sie waren es auch zu mir - aber trotzdem, Verwandte oder gar Eltern können sie nicht ersetzen.

Als ich fünfzehn Jahre alt war, trug ich mein Schicksal wie ein Mann, und hatte eingesehen, daß es nichts nützt, wie es andere tun, mit dem Schicksal zu hadern und darüber zu brüten. Ich schiffte mich auf der 'Little Emily', einem Handelsfahrzeug, nach Paperte ein..."

Man sieht, sehr ähnliche Übersetzungen (ich frage mich im Nachhinein, warum mir einige Formulierungen der Perlsee-Übersetzung nicht selbst eingefallen sind...), aber in Bezug auf die Kindheit, die der Held des Romans verbringen musste, gehen sie dann doch sehr weit auseinander.