Den Anstoß für Frazers "Golden Bough" bildete das Heiligtum der Diana Nemorensis. Warum es ihn so beeindruckt hat, kann aus seinen eigenen Worten wunderbar heraushören (eigene Übersetzung mit Unterstützung von DeepL):

In diesem heiligen Hain wuchs ein besonderer Baum, um den man zu jeder Tageszeit und wahrscheinlich bis weit in die Nacht hinein eine grimmige Gestalt herumschleichen sehen konnte. In der Hand hielt er ein gezücktes Schwert, und er schaute sich ständig vorsichtig um, als ob er jeden Augenblick damit rechnete, von einem Feind angegriffen zu werden. Er war ein Priester und ein Mörder, und der Mann, nach dem er Ausschau hielt, würde ihn früher oder später ermorden und an seiner Stelle das Priesteramt übernehmen. Das war die Regel des Heiligtums.

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Einer Geschichte zufolge wurde die Verehrung der Diana in Nemi von Orestes ins Leben gerufen, der nach der Ermordung von Thoas, dem König des taurischen Chersones (der Krim), mit seiner Schwester nach Italien floh und das Abbild der taurischen Diana mitbrachte, das er in einem Reisigbündel versteckt hatte. Nach seinem Tod wurden seine Gebeine von Aricia nach Rom überführt und vor dem Saturntempel auf dem Kapitol neben dem Concordiatempel beigesetzt. Das blutige Ritual, das die Legende der taurischen Diana zuschrieb, ist den Lesern der Antike bekannt; es heißt, dass jeder Fremde, der an der Küste landete, auf ihrem Altar geopfert wurde. Doch nach Italien transportiert, nahm der Ritus eine mildere Form an. Im Heiligtum von Nemi wuchs ein bestimmter Baum, von dem kein Zweig abgebrochen werden durfte. Nur einem entlaufenen Sklaven war es erlaubt, einen seiner Zweige abzubrechen, wenn er es vermochte. Gelang ihm der Versuch, so durfte er gegen den Priester im Einzelkampf antreten, und wenn er ihn tötete, regierte er an seiner Stelle mit dem Titel König des Waldes (Rex Nemorensis). Nach Auslegung der Alten war der verhängnisvolle Zweig jener goldene Ast, den Aeneas auf Geheiß der Sibylle pflückte, bevor er die gefahrvolle Reise in die Welt der Toten antrat. Die Flucht des Sklaven stellte, so hieß es, die Flucht des Orestes dar; sein Kampf mit dem Priester war eine Reminiszenz an die Menschenopfer, die einst der taurischen Diana dargebracht wurden.