Zunächst wieder Miltons Zusammenfassung nach der Übersetzung von Bernhard Schuhmann.
Adam erkundigt sich nach den Bewegungen der Himmelskörper; er erhält eine unbestimmte Antwort und die Ermahnung, lieber nach wissenswerteren Dingen zu forschen. Adam stimmt zu, aber in dem Wunsche, Raphael noch eine Weile zurückzuhalten, erzählt er diesem alles, dessen er sich seit seiner Erschaffung erinnert: seine Verpflanzung in das Paradies, sein Gespräch mit Gott über die Einsamkeit und eine passende Gesellschaft; sein erstes Zusammentreffen und seinen Ehebund mit Eva. Was er darüber vor dem Engel vorbringt. Dieser scheidet nach wiederholten Ermahnungen.
Auch das folgende ist aus der Schuhmann-Übersetzung, die ich persönlich etwas leichter lesbar finde als die von Böttger.
Der Engel ausweichend zu Adams Fragen zum Aufbau des Universums:
Dein Forschen tadl' ich nicht. Der Himmel liegt
Wie Gottes Buch vor dir, daß du darin
Der Schöpfung Wunder lesest, und die Zeit
Nach Stunden, Tagen, Monden, Jahren lernst.
Dies kannst du, wenn du richtig zählst, gleichviel
Ob Himmel oder Erde sich bewegt.
Vor Mensch und Engel barg das übrige
Der große Meister weislich als Geheimnis,
Daß es bewundert, nicht bekrittelt werde.
Gelüstet doch sie nach Vermutungen,
So überläßt er ihrem weisen Streit
Den Himmelsbau, vielleicht belächelnd einst
Ihr spitzfindig gelehrtes Meinungsspiel,
Wenn sie des Himmels Plan verzeichnen wollen,
Die Sterne messen, das erhabne Werk
Aufrichten, niederreißen, wieder baun,
Dann, um den Schein zu retten, ihren Kreis
Mit Sphär' um Sphäre, Gurt um Gurt durchkreuzen
Und Zirkel über Zirkel um ihn ziehn.
…
Nach so verborgnen Dingen grüble nicht!
Sie stelle Gott anheim und seinem Walten!
Ob er, und wo, auch andre Wesen schuf,
Gehorch' und dien' ihm und genieße froh,
Was er dir zugeteilt: dies Paradies,
Mit deiner holden Eva! Himmlisches
Steht dir zu hoch und fern; bescheide dich!
Denk' über dich nur und dein Dasein nach,
Und träume nicht von überird'schen Welten
Noch von Geschöpfen dort und ihrer Art,
Begnügt mit dem, was von der Erd' ich dir
Und selbst vom höchsten Himmel offenbarte!
Adam stimmt ihm zu:
Wohl liebt der Geist des Menschen, zügellos
Umherzuschweifen ohne Maß und Ziel;
Bis durch Erfahrung er begreifen lernt,
Daß nicht das breite Wissen unnützen
Geheimen Krams, vielmehr die Kenntnis des,
Was uns das Leben täglich nahe legt,
Die wahre Weisheit, was darüber geh'
Nur leerer Dunst sei, dünkelhafter Wahn,
Der in den wesentlichsten Dingen uns
Unkundig, ratlos macht und ewig fremd.
Adams Erwachen, nachdem Gott ihn erschaffen hat:
Wie von tiefstem Schlaf erwacht,
Fand ich auf Gras und Blumen liegend mich,
Vernetzt von duft'gen Tau, den bald die Sonne
Mit ihren Strahlen trocknend in sich sog.
Ich richtete zum Himmel meinen Blick
Und sah verwundert in das weite Blau,
Bis ich, durch einen innern Trieb bewegt,
Schnell aufsprang und auf meinen Füßen stand.
…
Mich selbst beschaute dann ich, Glied für Glied,
Und ging, und lief mit fügsamen Gelenken,
Wie kräft'ge Lust mich trieb; doch wer ich sei,
Und wo, und welchen Ursprungs, wußt' ich nicht.
…
Wie, sagt mir, wurd' ich? Wie kam ich hieher?
Nicht durch mich selbst; durch einen Größern denn,
Durch einen Schöpfer, groß an Macht und Güte!
Wie lern' ich kennen, sprecht, und ehren ihn,
Dem ich's verdanke, daß ich leb' und bin,
Glücklicher bin, ich fühl' es, als ich's weiß?
Adam erlebt wie im Traum, wie Gott Eva aus seiner Rippe erschafft:
Mehr hört' ich nicht; denn meine irdische
Erlag jetzt seiner himmlischen Natur.
Lang' hatte sie, aufs Höchste angestrengt,
Im himmlischen Gespräche sich behauptet;
Nun sank sie, wie von Übersinnlichem
Geblendet und erschöpft, dahin und suchte
Im Schlaf Erholung, der, zu Hilfe eilend,
Mich schnell befiel und mir die Augen schloß.
Die Augen schlossen sich, doch offen blieb
Die Phantasie, mein inneres Gesicht;
So sah ich, wie verklärt, in meinem Schlaf
Mich selbst und den erhabnen Gottesgeist,
Vor dem ich wachend stand. Er bückte sich,
Und öffnete die linke Seite mir,
Und nahm ihr eine Rippe, warm und frisch
Von Lebensblut durchströmt. Weit war die Wunde,
Doch bald mit Fleisch verwachsen und geheilt.
Mit seinen Händen formt' er schnell die Rippe,
Und eine menschliche Gestalt erwuchs,
Nur anderen Geschlechts: so reizend schön,
Daß nunmehr alle Schönheit dieser Welt
Mir reizlos vorkam oder ganz vereint
In ihr und ihrem Blicke, der ins Herz
Mir nie zuvor gefühlte Wonne goß
Und alle Wesen mit der Liebe Geist
Und süßer Lust beseelte. Sie verschwand,
Und ich erwachte. Finden wollt' ich sie,
Sonst ewig das verlorne Glück betrauern,
Entsagen aller Freude, aller Lust.
Liebe deine Eva, spricht der Engel, doch nicht ohne eine Warnung:
Doch gilt dir das Gefühl, wodurch der Mensch
Die Gattung fortpflanzt, für die höchste Lust:
Bedenke, ob dasselbe nicht dem Tier,
Dem unvernünft'gen, auch gemeinsam wäre,
Wenn ein Ergötzen darin läge, wert,
Des Menschen Seele ganz zu unterjochen
Und zu entflammen seine Leidenschaft.
Was Edleres ihr Umgang dir gewährt,
Vernünft'ges, Menschliches, das liebe stets;
Zu lieben ziemt dir: doch in Leidenschaft
Besteht die wahre Liebe nicht. Die Liebe
Veredelt den Gedanken, schwellt das Herz,
Sie ruht in der Vernunft, und ist die Leiter,
Auf der du, nicht in Sinnenlust versenkt,
Zur Himmelsliebe steigen kannst;
Adam fragt, ob sich auch die Engel lieben, und Raphael antwortet errötend:
Genüge dir, daß du uns selig weißt;
Und ohne Liebe - keine Seligkeit!
Was immer rein du körperlich genießest
(Erschaffen wardst du rein), genießen wir
In höherm Grade, ungehemmt und frei
Von körperlichen Schranken. Leichter noch
Als Luft mit Luft umarmen Geister sich;
Wenn Reines mit dem Reinen sich durchdringt,
Braucht's nicht Vermittlung, wie wenn Leib mit Leib
Und Seele sich mit Seele mischen will.
Und mit weiteren warnenden Worten verabschiedet sich Raphael und verlässt das Paradies.