Satan ist auf der Erde angekommen.
Auch ohne Prahlerei beginnt er nun
Den greulichen Versuch, der jetzt gereift
In seinem stürmischen Busen wogt und siedet
Und auf ihn selbst ein höllisches Geschoß
Zurückprallt. Zweifel, Schreck verstören jetzt
Sein düst'res Brüten, und erregen wild
In ihm die Hölle, denn er trägt die Hölle
In sich und um sich her, nicht einen Schritt
Kann er durch Ortesänderung so wenig
Der Höll' entfliehen, als sich selbst.
Satan plagen Zweifel. Er überlegt hin und her, ob es nicht doch Vergebung und ein Leben in Gottes Gnade geben könnte, kommt aber zu dem Schluss:
Für mich ist alles Gute hier verloren,
Das Böse sei mein Gutes! Denn durch Dich
Hab ich des Reiches Hälfte doch, das ich
Mit dem Allmächtigen theile; ja durch Dich
Werd' ich vielleicht noch mehr als halb regieren,
Was bald der Mensch der neuen Welt erfahre.
Doch bei seinem Grübeln wird er von Uriel beobachtet und seine finstere Miene weckt dessen Verdacht. Satan springt über den Wall, der das Paradies umgibt, und klettert auf den Baum des ewigen Lebens, um sich umzusehen.
Dann hob er sich und schwang sich wie ein Rabe
Urplötzlich auf den Baum des ewigen Lebens,
Den mittelsten und höchsten, der hier wuchs;
Doch wahres Leben ward ihm nicht zu Theil,
Er sann auf Tod nur für die Lebenden,
Der Kraft nicht denkend, die der Baum gewährt;
Zur Umsicht braucht er ihn, statt daß er sonst
Ein Pfand ihm der Unsterblichkeit geworden.
So wenig weiß ein Jeder außer Gott
Das Gute recht zu schätzen, das er sieht,
Ja! er verkehrt die besten Dinge selbst
Zum schnöden Mißbrauch und geringsten Dienst.
Jetzt sieht der Satan staunend unter sich
Den ganzen Reichthum der Natur, erschaffen
Zur höchsten Lust des menschlichen Geschlecht's,
Ja noch mehr, einen Himmel auf der Erde,
Denn Gottes Garten ward das Paradies,
Den er im Osten Edens angepflanzt
Er sieht sich um und sieht dann endlich auch die Menschen.
Doch weit entlegen von dem Garten Assurs;
Wo Satan mißvergnügt die ganze Lust
Der lebenden Geschöpfe, für ihn fremd
Und neu, erblickte; zwei von ihnen edler,
Emporgerichtet und erhabnen Leibes,
Göttlich erhaben, in angeborner Größe:
Sie schienen Herrn in nackter Majestät,
Auch schienen sie dies werth, denn aus den Augen
Erglänzte göttlich ihres Schöpfers Bild,
Wahrheit und Weisheit, reine Heiligkeit,
(Die kindlich sich in ihrer Freiheit zeigt)
Worin des Menschen wahre Hoheit liegt.
Doch waren Beide nicht einander gleich,
Wie auch der äußern Bildung nach verschieden.
(...)
Auch war der Leibesform geheimer Theil
Noch unverhüllt; die Scham trug keine Schuld;
Scham, die nicht für Naturgebilde paßt,
Ehrlose Scham, von Sünde nur erzeugt,
Wie hast Du doch das menschliche Geschlecht
Mit leerem Schein der Reinheit arg verblendet,
Und aus dem Menschenleben allen Segen,
Der Einfalt und der Unschuld Glück verbannt! –
Sie gingen nackt einher, und scheuten nicht
Das Auge Gottes noch der Engel Blick;
Denn Arges nimmer denkend, gingen sie,
Das liebevollste Pärchen, Hand in Hand,
Wie nimmer eines wieder sich umarmt:
...
Am Himmel flammten Stern' und kündeten
Den Abend schon, als Satan staunend noch
Wie Anfangs stand und endlich ganz betrübt
Die fast verlorne Sprache wieder fand:
»O Hölle! was erblick' ich hier mit Gram?
In unserm Wonnesitz so hoch erhöht
Geschöpfe, die aus anderm Stoff gemacht,
Vielleicht aus Erde, die nicht Geister sind,
Und doch so himmlisch wie die Geister strahlen,
Die ich in tiefem Sinnen nur bewundern
Und lieben könnte, da die Göttlichkeit
Aus ihnen leuchtet, und auf die Gestalt
Des Schöpfers Hand den höchsten Liebreiz goß!
Du holdes Paar, Du ahnest nicht, wie nah
Der Wechsel schon, wo alle diese Freuden
Verwehn und Dich dem Jammer überlassen,
Nur größerm Jammer nach so großer Freude.
Glückselig seid ihr, doch auf lange nicht
Ward euer Glück bestimmt, denn euer Himmel
Ist als ein Himmel übel nur geschirmt,
Um Feinde so wie mich davon zu wehren.
Doch nah ich nicht mit Absicht euch als Feind,
Weil Mitleid ich für so Verlassene
Doch hegen könnte, wenn ich selber auch
Kein Mitleid noch erhielt; die Freundschaft nur
Such' ich mit euch und wechselseit'gen Bund;
So eng, daß unter euch ich wohnen muß,
Wo nicht, daß ihr bei mir verweilen müßt.
Mein Wohnort schmeichelt euch vielleicht nicht so,
Wie dieses schöne Paradies; doch nehmt
Ihn nur als Werk von euerm Schöpfer an.
Er gab ihn mir; und euch geb' ich ihn willig!
Euch zu ergötzen, soll der Hölle Thor
Sich weit eröffnen und all' ihre Fürsten
Dann euch entgegensenden; dort ist Raum,
Nicht diesen engen Grenzen gleich, so viel,
Um eurer Söhne reiche Zahl zu fassen;
Und ist der Ort nicht besser, dankt es ihm,
Der wider Willen mich zur Rache treibt
An euch, die nimmer mich beleidigten,
Anstatt an ihm, der Unrecht mir erwies.
Und rührt' auch eurer Unschuld Zauber mich,
So zwingt mich jetzo Ehre doch und Reich,
Um diese neue Welt mir zu erobern,
Daß ich aus Rache thue, was ich sonst,
Obwol ich ein Verdammter, würde scheun.«
So sprach der Satan und entschuldigte,
Wie stets Tyrannen, mit Nothwendigkeit
Das böse Thun.
Er verwandelt sich und belauscht Adams Worte an Eva:
»Die Du allein mit mir die Freuden theilst,
Du, theurer mir als Alles, jene Macht,
Die uns erschuf und diese Welt für uns,
Muß sicherlich unendlich gütig sein,
Und wie unendlich, so freigebig auch,
Da sie uns aus dem Staub erhob, und hier
In alle diese Seligkeit versetzte,
Die wir doch Nichts verdient, und Nichts vermögen,
Womit wir ihr zu Dienste könnten stehn;
Die ein Gebot zu halten nur verlangt,
Dem wir so leicht Gehorsam leisten können,
Von allen Bäumen hier im Paradies,
Die so verschiedne süße Früchte tragen,
Von diesem einz'gen Baume nicht zu kosten,
Dem Baume der Erkenntniß, der so nah
Bei jenem Baum des Lebens hingepflanzt;
So nahe wächst beim Leben dort der Tod,
Was Tod auch sei, gewiß ein schrecklich Ding!
Den, wie Du weißt, hat Gott mit Tod bedroht,
Wer von dem Baume kostet; dies allein
Ließ er als des Gehorsams Unterpfand,
Satan fragt sich:
Wie? die Erkenntniß soll verboten sein!
Das ist verdächtig, gänzlich ohne Grund!
Warum vergönnte diese nicht der Herr?
Wär's Sünde, zu erkennen? Wär' es Tod?
Bestehn sie einzig durch Unwissenheit?<
Ist dies ihr Glück, und des Gehorsams Pfand
Und ihrer Treue? Welch ein schöner Grund,
Um ihr Verderben drauf zu baun!
Inzwischen begibt sich Uriel zu Gabriel, der das Paradies bewacht, und warnt ihn vor einem möglichen böswilligen Eindringling, dem er dummerweise den Weg gewiesen habe. Adam und Eva begeben sich nach ihrem leichten Tagewerk zur Ruh, aber nicht, ohne zuvor ihre ehelichen Pflichten zu erfüllen, versteht sich:
Was Gott zumeist gefällt; ins Innerste
Der Laube gingen sie nun Hand in Hand.
Die lästigen Kleider, die wir jetzo tragen,
Entbehrend, legten sie sich traulich gleich
Dicht bei einander nieder; und ich meine,
Es wandte sich nicht Adam von der Braut,
Noch sträubte lang' sich Eva, den geheimen
Ehlichen Brauch zu dulden; was auch Heuchler
Von Reinheit, Unschuld voller Strenge reden,
Als unrein lästern, was Gott rein erklärt,
Und Einigen befiehlt, und freistellt Allen.
Der Herr befiehlt uns zu vermehren selbst,
Enthaltsamkeit gebietet nur der Satan,
Feind Gottes und der Menschen. Heil Dir Liebe,
Ehliche Liebe, treu, geheimnißvoll,
Du wahre Quelle menschlicher Verpflanzung,
Du einziges Eigenthum im Paradies,
Wo alle Dinge sonst gemeinsam Gut!
Während sie dann schlafen, schickt der besorgte Gabriel seine Leute auf Streife und tatsächlich finden sie Satan bei seinem bösen Werk:
Begaben eilig nach der Laube sich,
Um jenen, den sie suchten, zu erspähn.
Sie fanden dort ihn, hingestreckt als Kröte
An Eva's Ohr, durch Höllenlist versuchend
Die Phantasie mit Träumen zu befangen,
Vielleicht auch Gift einflößend ihre Sinne
Und Lebensgeister, die aus reinem Blut
Wie holde Dämpf' aus lautern Flüssen steigen,
Zu reizen, und unruhige Gedanken
Und eitles Hoffen, schnöde Gier und Lust,
Von Dünkel aufgebläht, in ihr zu wecken.
Ithuriel berührte mit dem Speer
Leicht den Versucher, denn es kann kein Trug
Vor der Berührung Himmlischer bestehn,
Und kehrt gezwungen in die wahre Form.
Satan sprang auf, entdeckt und überrascht,
Wie wenn ein Funke fällt auf einen Haufen
Salpeterpulvers, das man aufgestaut
Als Vorrath für den angedrohten Krieg,
Satan wird zu Gabriel gebracht. Sie kennen sich:
Zornvoll, verächtlich sprach der böse Feind:
»Nicht trag' ich minder jene Höllenqual,
Noch beb' ich vor dem Schmerze, höhnischer Engel!
Du weißt, daß ich am kühnsten mit Dir stritt,
Als ich im Kampf der Donner der Vernichtung
Dir rasch zu Hülfe kam, und Deinem Speer,
Sonst nie gefürchtet, Beistand leistete.
Ein erbitterter Kampf droht, doch dann erscheint Gott mit einer Waage und zeigt ihnen damit, wer als Sieger hervorgehen würde. Die Zeichen sehen nicht gut für Satan aus und Gabriel spottet:
Lies Dein Geschick in jenem Himmelszeichen,
Wo Du gewogen bist; da wirst Du sehn,
Wie schwach und leicht Du bist zum Widerstande!«
Satan blickt auf, er sieht der Wage Schale,
Die hoch zum Schaden ihm empor geschnellt.
Er floh mit Murren ohne Zaudern fort,
Und mit ihm flohen all' die nächt'gen Schatten.