Zunächst die Zusammenfassung, die Milton jedem Gesang voranstellt (wieder die Übersetzung von Schuhmann):

Als des Menschen Fehltritt bekannt wird, verlassen die Engel das Paradies und kehren hinauf zum Himmel zurück, um sich ihre Wachsamkeit bestätigen zu lassen, und erhalten diese Bestätigung, indem Gott erklärt, daß das Eindringen Satans von ihnen nicht habe verhindert werden können. Er schickt seinen Sohn aus, um die Übeltäter zu richten. Dieser kommt herab und verkündet denn auch den Urteilsspruch, dann bekleidet er sie mitleidig und steigt wieder zum Himmel hinauf. Die Sünde und der Tod aber, die bis jetzt vor der Pforte der Hölle gesessen, beschließen, nachdem sie durch wunderbare Seelenverwandtschaft mit Satan dessen Erfolg auf unserer neuen Erde und von der durch den Menschen daselbst begangenen Sünde erfahren haben, nicht länger in der Hölle eingeschlossen zu bleiben, sondern Satan, ihrem Meister, hinauf zu der Wohnstätte des Menschen zu folgen. Um den Weg hin und her von der Hölle zu unserer Welt bequemer zu machen, legen sie einen breiten, gepflasterten Weg oder eine Brücke über das Chaos hinüber an, der dem von Satan zuerst eingeschlagenen entsprach; als sie sich dann anschicken, nach der Erde aufzubrechen, treffen sie Satan, der, stolz über seinen Erfolg, gerade zur Hölle zurückkehren will; sie beglückwünschen sich untereinander. Satan langt im Pandämonium an und berichtet prahlend, in voller Versammlung, von seinem Sieg über die Menschen. Anstatt des Beifalls wird er aber mit einem allgemeinen Zischen begrüßt, da er - entsprechend der schon im Paradiese ausgesprochenen Verdammung - mit allen seinen Gefährten zu Schlangen verwandelt worden ist. Dann werden sie geäfft durch ein Trugbild des verbotenen Baumes, das vor ihnen aufsteigt, und als sie gierig nach den Früchten langen, um davon zu kosten, müssen sie sehen, daß sie Staub und Erde kauen. Die Taten, die Tod und Sünde nun begehen, Gott prophezeit den schließlichen Sieg seines Sohnes über sie und die Wiedergeburt aller Dinge. Zunächst aber befiehlt er seinen Engeln, im Himmel und mit den Elementen gewisse Veränderungen vorzunehmen. Adam, der sich seines Falls immer deutlicher bewußt wird, beklagt ihn schwer und weist die Teilnahme Evas zurück; als sie aber nicht nachläßt, gelingt es ihr schließlich, ihn zu beruhigen. Dann schlägt sie Adam, um den Fluch abzuwenden, der möglicherweise auf ihre Nachkommenschaft fallen wird, gewaltsame Mittel vor, die er nicht billigt. Dann schöpft er bessere Hoffnung: er erinnert sie an die ihnen gegebene Verheißung, daß nämlich ihr Same an der Schlange gerächt werden solle, und ermahnt sie, mit ihm zusammen zu versuchen, ob sie nicht durch Reue und demütige Ergebung bei dem beleidigten Gotte Verzeihung finden könnten.

Adam, von Gott zur Rede gestellt, spricht doch tatsächlich:

Das Weib, das du mir zur Gehilfin schufst,
Mir gabst als dein vollkommenstes Geschenk,
So gut, so würdig, göttlich, liebenswert,
Daß Böses mir von ihr unmöglich deuchte -
Denn was es auch an sich war, was sie tat,
So wie sie's tat, erschien mir's gut und recht.
Sie reichte von der Frucht mir, und ich aß.

Tintoretto_Erschaffung_der_Tiere
Jacopo Tintoretto - Der Sündenfall


Der Tod in Vorfreude:

Er sprach's und schwelgte gierig in dem Hauch
Der tödlichen Verändrung auf der Erde.
Wie ein viel Meilen weit entfernter Schwarm
Raubvögel sich am Tage vor der Schlacht
Dem Felde naht, wo Kriegesheere lagern,
Gelockt von dem Geruch lebend'ger Leichen,
Der vorbestimmten Opfer blut'gen Kampfs:
So spürte jetzt das scheußliche Gespenst
Mit scharfer Wittrung in der dunkeln Luft,
Trotz aller Ferne seinen Raub und Fraß.

 

Satan berichtet seinen Gefährten in der Hölle:

Erzürnt darob, gab Gott - wert eures Hohns -
Den Menschen, seinen Liebling, samt der Welt
Der Sünde preis, dem Tod, und somit uns!
Wir können sonder Müh', Gefahr und Furcht
Nun wohnen dort und herrschen über ihn,
Der selbst zum Herrn der Welt erschaffen ward.
Auch mich zwar traf ein Urteilsspruch, vielmehr
Die Schlange, jenes Tier, in des Gestalt
Ich den Betrug vollführt: Feindschaft, sprach Gott,
Soll zwischen mir sein und des Menschen Samen;
Ich soll ihn in die Ferse stechen, er,
Wann? weiß ich nicht, soll meinen Kopf zertreten.
Um einer Welt Besitz - wer litte nicht
Gern einen Fußtritt, ja weit größern Schmerz?

 

Satan wird verwandelt:

Er fühlt sein Antlitz schmal und spitz gezerrt,
Die Arme fest den Rippen angeklebt,
Verschränkt die Beine, bis er auf den Bauch,
Ein Schlangenungetüm, herunterfällt.
Vergebens sträubt er sich; die höhre Macht
Bezwingt und straft ihn nun mit der Gestalt,
Drin er gesündigt hat. Er wollte sprechen;
Doch Zischen nur erwidert dem Gezisch
Von zweigespaltnen Zungen; alle sind,
All die Genossen seiner Meuterei,
Gleich ihm verwandelt. Gräßlich war der Lärm;
Die Hölle wimmelte von Ungeheuern:
Verwickelnd Köpf' und Schweife, wälzten sich
Gehörnte Schlangen, doppelköpfige,
Mit Nattern, Molchen, Hydern, Skorpionen.

Engel werden zu Ungeheuern
Illustration von Gustave Dore

Nach langer Qual durch Hunger und Gezisch
Empfingen sie den eignen Leib zurück;
Doch an bestimmten Tagen jedes Jahrs,
So heißt es, muß ihr schadenfroher Stolz
Zur Strafe gleicher Schmach sich unterziehn.

 

Gott verkündet seinen langfristigen Plan:

Seht, wie der Hölle Auswurf sich mit Gier
Verheerend stürzt auf jene Welt, die schön
Und gut ich schuf und immer schön und gut
Erhalten hätte, ließ der Menschen Torheit
Nicht diese beutegier'gen Furien ein.
Sie samt dem Höllenfürst und seiner Rotte
Zeihn mich der Torheit, weil ich ungestört
Sie eines solchen Lustorts sich bemächt'gen lasse,
Und es den Anschein hat, als trachtet' ich
Durch Nachsicht meine Feinde zu versöhnen;
Sie spotten mein, im Wahn, daß ich von Zorn
Und Leidenschaft ergriffen meine Schöpfung
Geb' ihrer schnöden Willkürherrschaft preis,
Und wissen nicht, daß ich dorthin sie trieb
Die Höllenhunde, um den Wust und Schmutz,
Womit des Menschen Schuld, was rein sonst war,
Verderbt hat, aufzulecken: bis dereinst
Dein Siegerarm, mein hochgeliebter Sohn,
So Sünd' als Tod, zum Bersten vollgestopft,
Mitsamt dem offnen Grab auf einen Wurf
Hinab ins Chaos schleudert und der Hölle
Für ewig ihren gier'gen Rachen schließt.
Dann werden Erd' und Himmel sich erneu'n
Zu reiner, fleckenloser Heiligkeit;
Bis dahin wirkt der ausgesprochne Fluch.


Adam:

Was spottet mein der Tod und tötet nicht?
Wie froh würd' ich dich grüßen, Sterblichkeit,
Und wieder Staub nur sein, empfindungslos!
Wie gerne legt' ich in die Erde mich,
In meiner Mutter Schoß! Dort würd' ich ruhn
Und sicher schlafen; Gottes Donnerstimme
Sie träfe nicht mein Ohr, und keine Furcht
Vor dem, was mir und meinen Kindern droht,
Zerquälte grausam mich. - Ein Zweifel nur
Verfolgt mich stets: Wenn ich nicht gänzlich stürbe;
Wenn dieser reine Lebenshauch, der Geist,
Den Gott dem Menschen einblies, nicht zugleich
Mit meines Körpers Stoff ein Ende nähm'?
Im schauerlichen Grabe stürb' ich dann -
Lebend'gen Tod. Entsetzlicher Gedanke!