Die Darstellung dieses Gesanges folgt der Übersetzung von Adolf Böttger.

Die gefallenen Engel sitzen also zusammen und beratschlagen, was zu tun ist. Einer will offenen Krieg mit dem Himmel, einer sorgt sich, Gott könnte sie dann noch schlimmer strafen. Ein weiterer sagt, lassen wir's einfach gut - wohl passender: böse - sein, was eigentlich perfekt zu Satans Monolog aus dem ersten Gesang passt:

In uns allein sei unsre Seligkeit,
Für uns allein zu leben, sei es auch
In dieser Wüste hier, damit wir frei
Und unabhängig statt des leichtern Jochs
Des Sclavenpomps die schwere Freiheit wählen.
Im schönsten Licht wird unsre Größe glänzen,
Wenn Großes wir aus Kleinem, Nützliches
Aus Schädlichem und Heil aus Unheil schaffen,
Und wo es sei, wenn unter Uebeln wir
Zunehmen und durch Leiden und durch Mühen
Vergnügen aus der Marter ziehen können?
Und graut es uns vor dieser tiefen Welt
Der Finsterniß? Wie oft erwählt der Höchste
In dichten dunkeln Wolken seinen Sitz,
Ganz unbeschadet seines Glorienscheins,
Wann er den Thron mit aller Majestät
Der Finsterniß umzieht, mit Donnerbrüllen,
So daß an Wuth der Himmel gleicht der Hölle!
Wie unser Dunkel er nachahmen kann,
So werden wir's wohl auch mit seinem Licht!
Auch diese Wüste hat verborgnen Glanz
An Gold und Edelstein, uns fehlt es nicht
An Kunst und an Geschick, vortreffliche
Gebäude zu vollenden, und vermag
Der Himmel mehr?

 

Alles sieht so aus, als wollten sie sich einfach in der Hölle häuslich einrichten, doch dann kommt jemand auf die Idee:

Wie, wenn wir einen leichtern Plan erdächten?
Es giebt ja einen Ort, (wenn jenes alte
Weissagende Gerücht im Himmel wahr!)
Die sel'ge Welt des neuerschaffnen Volkes,
Das man die Menschen nennt und das schon jetzt
Geboren ward nach unserm Ebenbild;
Nur nicht wie wir so herrlich und gewaltig,
Doch von dem Herrscher droben mehr begünstigt.

(...)

Darauf geh' unser ganzes Denken jetzt,
Was für Geschöpfe dort wol wohnen mögen,
Von welchem Stoff und welchen Gaben sie,
Was ihre Macht und ihre Schwäche sei,
Und wie am besten sie zu hintergehn;
Ob mit Gewalt, vielleicht auch wol mit List.
Obwol der Himmel uns verschlossen ist,
Der ew'ge Richter in dem Himmel thront
In seiner eignen Stärke, kann doch immer
Uns dieser Ort mehr offen sein, als Grenze
Von seinem Reich, und die Vertheidigung drin
Den eigenen Bewohnern überlassend.
Hier wird vielleicht ein Vortheil rasch erreicht;
Wenn plötzlich seine ganze Schöpfung wir
Mit Höllenglut verderben oder Alles
Als unser Eigenthum zu nehmen suchen,
Und dann, wie wir vertrieben wurden, auch
Die schwächlichern Bewohner dort verjagen,
Und geht es nicht, sie dort zu unsrer Schaar
Verleiten, daß sie ihren Gott befeinden,
Bis reuig er sein eignes Werk zerstört.

 

Nun scheint mir der erste Teil des Planes durchaus nachvollziehbar, doch was sie davon hätten, Gottes neue Schöpfung im Zweifel auch ohne jeden Vorteil zu verderben ... Allerdings finden sich Beispiele für die blindwütige Zerstörungswut des Verschmähten ja zuhauf.  Trotzdem, als Trost für eine fehlgeschlagene Eroberung des Himmels erscheint mir das ein wenig fad. Was soll's, ihnen nicht. Sie beschließen, einen von ihnen zu dieser neuen Welt zu schicken. Der Weg dorthin ist ziemlich gefährlich, sodass sich niemand um diese Mission reißt. Doch Satan erkennt die Chance, seinen Herrschaftsanspruch durch solch verwegene Tat endgültig zu zementieren, und erklärt sich bereit. Also brechen sie auf, um ihn zu den Grenzen der Hölle zu begleiten, und stellen auf dem Weg fest, dass ihr neues Heim tatsächlich nicht sehr heimelig ist:

Sie zogen durch manch dunkles, ödes Thal,
Durch manche Jammergegend, über viele
Eisalpen, Glutenfelsen, Klippen, Höhlen,
Moräste, Strudel, Grüfte, Todesschatten,
Des Todes Welt, die Gott im Fluch erschuf,
Die gut für Böses nur, wo Tod nur lebt
Und alles Leben stirbt, und die Natur
Verkehrtes nur erzeugt, blos ungeheure,
Abscheuliche, ganz namenlose Dinge,
Wie niemals sie die Fabel wohl ersann,
Noch Furcht sie jemals dachte, nur Chimären,
Und scheußliche Gorgonen so wie Hydern.

 

Satan geht schließlich allein weiter, er gelangt an die Grenzen der Hölle, die von zwei furchtbaren Gestalten bewacht werden:

Endlich erblickt die Grenzen er der Hölle:
Hoch ragen bis an's fürchterliche Dach
Neunfache Pforten, deren drei von Erz,
Von Eisen drei, und drei von Demantfelsen.
Ein furchtbar Wesen saß auf jeder Seite
Der Pforten; eine schien ein reizend Weib
Bis an den Leib, doch endete sie häßlich
In vielen schuppgen weitgewundnen Ringen,
Als eine Schlange mit dem Todesstachel.
Rings um den Leib bellt' unaufhörlich laut
Ein Rudel Höllenhunde mit dem Rachen
Des Cerberus und machte wilden Lärm;
Willkürlich konnten sie bei jeder Störung
Sich in den Bauch verbergen, wo sie immer
Fortheulend, wenn auch ungesehen, bellten.

(...)

Nicht Aergre folgen Nachts der Zauberin,
Wenn auf geheimen Ruf sie durch die Luft
Im Ritte fliegt, gelockt durch Kinderblut
In Lappland mit der Hexen Schaar zu tanzen,
Indeß der Mond vor ihren Sprüchen dunkelt.
Die andre Nachtgestalt, wenn man so nennt,
Was ohne Glieder und Gestalt sich zeigt,
Und wenn man Wesen nennt, was Schatten schien,
Ja oder Beides ganz vereint, erhob
Schwarz wie die Nacht sich, wie zehn Furien grimmig,
Und wie die Hölle furchtbar; in der Hand
Schwang sie das fürchterlichste Wurfgeschoß;
Was etwa einem Haupte gleichen konnte:
Trug etwas einer Königskrone gleich.

(Spoiler: Der Tod und die Sünde, und natürlich lassen sie ihn durch.)

Satan trifft auf Tod und Sünde
Illustration aus Übersetzung von Zachariä

Danach folgt die Beschreibung des Urchaos, durch das sich Satan schlagen muss:

Vor ihre Augen traten nun der Tiefe
Geheimnisse, das dunkle ewige Meer,
Das grenzenlos und ohne Länge, Breite
Und Höh' und Zeit und Raum sich dehnt, wo Chaos
Und ewige Nacht, Urahnen der Natur
Gesetzlos herrschen, mitten in dem Lärmen
Des Kampfes durch Verwirrung sich erhalten;
Dort ringen Hitze, Kälte, Dürr' und Nässe
Gewaltig um die Herrschaft, führen
Der ungeborenen Atome Schaar
Zur Schlacht, die schwärmend um das Banner sich
Nach den verschied'nen Reih'n und Horden sammeln,
Leicht oder schwer bewaffnet, scharf und sanft,
Schnell oder träge, zahllos wie der Sand
Von Barka oder von Syrene's Boden,
Der aufgewühlet von der Stürme Kampf
Der Winde leichtre Schwingen schwerer macht.
An wem die meisten der Atome hängen
Herrscht auf Momente dann; das Chaos sitzt
Schiedsrichterlich und wirrt durch die Entscheidung
Nur mehr den Kampf, der ihm die Herrschaft giebt.
Als zweiter an Gewalt, regiert der Zufall.
An diesem wilden Schlunde, – wo Natur
Erschaffen ward, und der vielleicht ihr Grab,
Wo weder See noch Strand, noch Luft und Feuer,
Ja alle nur in ihrem Keim verworren,
Und die gemischt sich stets bekämpfen müssen,
Bis dem allmächtigen Schöpfer einst gefällt,
Mehr Welten aus dem finstern Stoff zu bilden, –

 

Auch hier kämpft sich Satan wacker durch und erreicht die neugeschaffene Welt der Menschen:

Die ausgespannten Schwingen wiegt er nun
Im leeren Raume, so der Luft vergleichbar:
Um so von fern das Strahlenreich zu schauen,
Das weit sich dehnt, von unbestimmter Form,
Mit Thürmen von Opal und mit lebendigen
Saphiren rings die Zinnen ausgeschmückt,
Einst seine Heimath – und nicht fern davon
An goldner Kette hing die neue Welt,
Ein Stern in kleinster Größe, dicht am Mond.
Boshafter Rache voll eilt er dahin,
Er selbst verflucht, und in verfluchter Stunde.